Au Pair
Chile
Oktober 2016
Ab in den Süden ... aber NICHT der Sonne hinterher! Das war mein Motto, als ich Anfang Juli meine Reise nach Chile antrat: vom 30° warmen Deutschland ging es in das winterliche und verregnete Araukanien - eine Region in Chile, die auch als Seen- und Vulkanland bekannt ist.
Dass es eine Umstellung wird, war mir von Anfang an klar, doch an manche chilenischen Gegebenheiten werden sich wahrscheinlich die wenigsten sofort Europäer gewöhnen:
Klopapier gehört nicht in die Toilette, sondern in den Mülleimer.
An jeder Ecke wartet (mindestens) ein Straßenhund - immer auf der Suche nach einer Person, der er für den Rest des Tages folgen kann.
Ein Tag ohne "Palta" (Avocado)oder "Completo" (Hot Dog mit Palta) ist ein verlorener Tag. Das einzige auf was man sich bei einer Verabredung mit einem Chilenen verlassen kann, ist das "Tiempo Chileno" - wenn er kommt, dann mindestens eine halbe Stunde zu spät. Wer kein Feuer machen kann (wie ich zu Beginn), outet sich sofort als "Gringo".
Jedoch ist es unmöglich die Chilenen nicht liebzugewinnen, deren Lebensstil sich in so vielen Punkten von dem Deutschen unterscheidet - kurzum: weniger Planung, mehr Leben. Die Gegenwart ist das, was zählt und nicht die Zukunft. Und wer sich darauf einlässt, wird viel über sich lernen können.
Weniger gewöhnungsbedürftig ist hingegen meine neue Heimat, "Pucón", in die ich mich umgehend verliebt habe. Dominiert beim aktiven Vulkan Villarica und bekannt als Outdoor-Paradies zieht er tausende Touristen an und bietet zahlreiche Möglichkeiten für alle sport- und naturbegeisterten Menschen (Skifahren auf dem Vulkan, Kayaking, Rafting, Horse-Back-Riding, Wandern, ...).
Zwar ist es schwieriger neue Kontakte zu knüpfen, wenn man in einem vergleichsweise kleinen Ort wohnt, doch das Warten zahlt sich aus. Außerdem war mein Spanisch zu Beginn auf "Hola" und "Ciao" begrenzt, was die Unterhaltungen gezwungenermaßen schnell beendete und die Tiefgründigkeit einschränkte. Doch viele Chilenen ließen sich nicht von meinen sprachlichen Barrieren abhalten und dank Händen, Füßen und ihren paar Bröckchen Englisch konnten sie mir von ihrem Leben hier erzählen. Jetzt, nach 85 Tagen hier, gehört diese Art der Unterhaltung schon beinahe der Vergangenheit an. Egal ob Verkäufer, Teammitglieder in meinem Verein oder zufällige Begegnungen - mit ein wenig Geduld und mehrmals wiederholten "Puedes hablar un poco mas lento por favor?" (Kannst du bitte ein bisschen langsamer sprechen?) steht einem Gespräch nichts mehr im Wege.
So kam es mir anfangs auch noch unmöglich vor, mich mit meinem AuPair-Kind (Nayeli, 4 Jahre), welches zweisprachig aufgewachsen ist, in Spanisch zu unterhalten, während ich mich jetzt teilweise zwingen muss Deutsch zu sprechen. Nur ein Kind? Klingt wie ein Paradies! Oft ist es dies auch: So habe ich jeden Morgen (Kindergarten) zu meiner freien Verfügung und kann mich auch ansonsten ganz auf sie konzentrieren. Andererseits können sich Regentage, die man "nur" zu 2 im Haus verbringt in die Länge ziehen. Aus diesem Grund sind wir meistens bis abends unterwegs: machen Spielplätze unsicher, besuchen Freunde (meine oder ihre), gehen spazieren oder liegen einfach faul am Strand rum. Um es auf den Punkt zu bringen: Nayeli ist meine kleine Schwester geworden und kein Blut kann das ändern. Und wenn sie abends mit den Worten "ich hab dich lieb, große Schwester" an mich gekuschelt einschläft, weiß ich genau, dass ich mich richtig entschieden habe. Dann bin ich mir sicher, dass mein Jahr in Chile eine einmalige Erfahrung ist, die ich trotz mancher Tiefen und Herausforderungen für nichts in der Welt eintauschen würde.